Sowohl in der bedürfnisorientierten, als auch in der Persönlichkeitsentwicklungs-Bubble, die ich beide sehr schätze, höre ich sehr oft den Satz "Alle Gefühle sind ok".
Und fast genau so oft wird deutlich, wie sehr dieser Satz missverstanden wird und dadurch letztendlich Beziehungen schadet, anstatt seinen eigentlichen Sinn zu erfüllen, nämlich einen friedvollen Umgang zu ermöglichen, mit den Menschen um uns herum und zu uns selbst.
Dies ist eines der traurigen Missverständnisse, über die ich ja so gern aufkläre.
„Alle Gefühle sind ok!“ heißt NICHT „Jedes Verhalten ist ok!“
„Ja, aber ich war/bin halt wütend auf ihn/sie!“ schallt es sowohl durch die Elternszene, als auch aus den Mündern unzufriedener Partner und Partnerinnen.
Und "Aber wir sollen uns doch authentisch zeigen!"
Ja... aber😉.
"Alle Gefühle sind ok!" ist KEIN Freifahrtschein dafür, jemandem gewaltvoll zu begegnen.
Weder mit Worten, noch mit Taten.
Weder Kindern, noch Erwachsenen gegenüber.
Eine in meinem Kopf sehr wichtige Gleichung ist:
Wut ≠ aggressives Verhalten.
Wut ist NICHT gleich aggressives Verhalten.
Ein ganz fiktives Beispiel, das aus meiner blühenden Fantasie entsprang😉:
Du bist wütend auf deinen Partner, als du siehst, dass er den Müll mal wieder nicht hinausgebracht hat und außerdem hilft er aus deiner Sicht eh viel zu wenig mit allem, was zu tun ist.
Ja, da ist Wut. Das ist ok. Weil du "Sollte"-Gedanken hast. Weil dein Bedürfnis nach Unterstützung und vielleicht noch weitere unerfüllt sind. Weil du dich überfordert fühlst.
Und natürlich KANNST du ihn jetzt anschreien:
- Vorwürfe machen ("Nie machst du dies und das/ Du solltest viel öfter mal...")
- ihm DEINE Glaubenssätze um die Ohren hauen ("So funktioniert Beziehung nicht! Das geht so nicht! Beziehung heißt nun mal xy")
- Vergleiche ziehen ("Tom und Tina bekommen das doch auch hin!")
- drohen ("Ich mache das so nicht mehr mit, wenn das nicht besser wird, dann...)
- andere Themen hineinmischen ("Und wo wir schon beim Thema sind, was mich auch total ankotzt...")
- andere trennende Dinge in den Raum werfen ("Hätte deine Mutter mal....")
Kannst du machen ... klar, ist deine Entscheidung ... ist eben nur die Frage, was dir wichtig ist.
Mir ist wichtig:
- Beziehungen zu Menschen jeden Alters auf Augenhöhe führen
- möglichst friedvoll kommunizieren
Und klar, dennoch kann es passieren, dass wir zum explodierenden Fass werden.
Es kann sein, dass wir uns so verhalten, wie wir eigentlich gar nicht wollen.
Wir alle tragen unseren Rucksack mit uns herum.
Wir alle sind geprägt, wir alle spulen erlerntes Verhalten ab und müssen erst ganz neu lernen, einen Umgang mit unseren Gefühlen finden, unsere Impulskontrolle und Regulationsfähigkeit ent-decken.
"Aber ich will doch authentisch sein!"
Jo. Authentizität ist toll! Einer meiner wichtigsten Werte. ABER...
Dann kommt eine zweite Gleichung zum Tragen:
Authentizität ≠ ungefiltert Gefühle an jemandem auslassen.
Authentizität heißt NICHT ungefiltert Gefühle an jemandem auszulassen.
„Aber ich muss meine Wut doch raus lassen, das tut mir doch sonst nicht gut!“
Ja, voll wichtig. Mach das!
Aber schau wie, wo und wann und vor allem: Wem gegenüber.
Es muss nicht JETZT und HIER und AUF DIESE EINE ART sein.
Du kannst dir jederzeit einen anderen Erwachsenen zur Seite nehmen und ihn bitten, dass er dir empathisch zuhört, während du dich mal so richtig auskotzt, nach Absprache auch mit Händen und Füßen. Du kannst zu jeder Zeit in ein Kissen boxen, oder auf den Boden stampfen.
Und...super wichtig: Du kannst und sollst NATÜRLICH deinem Konfliktpartner von deinen unerfüllten Bedürfnissen (Grenzen) erzählen. Später! Wenn sich die Wogen geglättet haben. Oder wenn er/sie in der Lage ist, solch Ausdruck von unangenehmen Gefühlen zu halten, anstatt sie persönlich zu nehmen und evtl sogar in den Gegenangriff zu gehen.
Ich durfte diese Erfahrung übrigens machen, einen Partner an der Seite zu haben, der (nicht immer😉) den Spiegel vor sich hrunterlassen konnte. War eine schöne Erfahrung, die meisten Menschen können das aber NOCH nicht. Und Kinder sowieso nicht! Lasst die Kinder da raus, versucht es zumindest und tut alles dafür, was euch möglich ist.
Und ich sage es nochmals, weil wir das schnell vergessen und ja besonders gut darin sind, uns selbst zu verurteilen:
ja, wir vermasseln Dinge, wir verhalten uns gewaltvoll! Es passiert!
Und dennoch ist mein Ziel, dies zu reflektieren und andere Wege zu finden.
Ich kann über solch Verhalten mein Bedauern ausdrücken, Menschen jeden Alters gegenüber.
Weil es eben NICHT ok ist, für mich. Weil es nicht meinen Werten entspricht.
Und ja, manchmal müssen wir uns schützen, Menschen gegenüber, denen wir unterlegen sind. Wenn der Schutz unseres Körpers und unseres Lebens es fordert.
Und nein, das heißt NICHT, dass es ok ist, ein Kind zurück zu hauen, wenn es gehauen hat. Ein Kind ist UNS Großen unterlegen!
Gewalt als Antwort auf Gewalt? Nope!
Siehst du das auch so? Dann teile den Beitrag gern, damit andere Menschen direkt wissen, wie du zu diesem Thema stehst.
Ich wünsche dir einen schönen Tag,
PS: Mein Blog zieht gerade erst um, meine anderen Beiträge findest du noch hier: KLICK